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Mit Helm in der Kita

Der Schweizer Journalist Peter Jäggi, dessen Arbeiten ich mit Interesse verfolge, hat kürzlich geschrieben: «Nepal auf Zweirädern – eine Art Kindermord». Mir hat das keine Ruhe gelassen, denn ich weiss von meiner vietnamesischen Nachbarschaft, dass viele Familien einfach nicht genügend Geld für einen Kinderhelm haben.

Wie gesagt, das Thema hat mir einfach keine Ruhe gelassen und heute, beim morgendlichen Kaffee, sass der Mann mit seinem Velohelm mir gegenüber. Ich wusste, dass er den einen oder anderen Markthändler beliefert und als er mit seiner Arbeit fertig war, rief er seine beiden Kinder. Sie rannten froh lachend zu ihm und als er aufstand, sprangen beide fröhlich schreiend aufs Motorrad. Das Mädchen kletterte hinten in den Gitterkorb und überblickte dann wie einst Ben Hur die Situation. Der Kleine kniete vor dem Vater auf der Motorverschalung, hielt sich am Lenker fest, so als sei er der Kapitän. So fuhren sie los und verschwanden hinter den Marktständen.

Ich dachte mir: Eine arme, aber fröhliche Familie. Hier hat der Vater noch Zeit für seine Kinder. Er nimmt sie mit zur Arbeit und alle haben Spass. Und ja, es ist verdammt gefährlich im vietnamesischen Verkehr und noch gefährlicher ohne Helm. Doch dann kamen mir die europäischen Helikopter-Eltern in den Sinn, die des morgens ihre Kinder im SUV zur Kita fahren, dort die Jungmannschaft mit Helm parkiert, damit auch wirklich nichts passieren kann, und am Abend, müde und erschöpft von der Arbeit, wieder abholt, und ich fragte mich: Wer wird wohl die lebensfrohere Jugend haben?

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