Von Peter M. Jenni auf Dienstag, 05. September 2017
Kategorie: Blog Faszination Vietnam

Land in Sicht, die Zweite oder: Fremde Kultur, grosse Irrtümer

Hinter mir liegt eine Zeit gefüllt mit Warten, Tee trinken, Unsicherheiten, Missverständnissen und Irrtümern. Mehr als einmal dachte ich, das war’s! Aber es ging weiter. Aus zwei Tagen wurden drei, dann vier, fünf und am Ende waren es sieben! Doch alles der Reihe nach.

Angefangen hat alles mit einem See, dem Ho Krong Buk Ha. Der sechsarmige Stausee in der Provinz Dak Lak umfasst eine Fläche 452 km², sichert die Wasserversorgung für 11'800 ha Anbaufläche und die Brauchwasserversorgung für 72'000 Personen und ist in der Regenzeit Teil des Hochwasserschutzes. Das Ufer ist noch kaum besiedelt.

Hieps Brüder betreiben auf dem See eine schwimmende Fischfarm (https://www.textartelier.ch/index.php/text-artelier-medienbuero/blog_werkstatt-2/entry/970-zum-t%C3%A9t-abschluss-4-tag-familienessen-auf-dem-see). Als ich zu Beginn dieses Jahres den See mit seiner urwüchsigen Landschaft das erste Mal sah, gab’s eigentlich nur einen Gedanken: Hier zu wohnen, an diesem Wasser, in dieser Natur, das muss fantastisch sein.

Dann, vor zwei Monaten, wie aus heiterem Himmel, bekamen wir die Nachricht, dass am See ein Haus mit Land zu kaufen sei. Also nichts wie hin: Gut dreieinhalb Stunden Fahrt, dann eine Motocross ähnliche Piste bis zum Ufer runter, anschliessend mit dem Boot zum Haus.

Doch die Liegenschaft kam für mich nicht infrage. Zu alt das Haus, zu viel Dreck drum rum. Wir hätten alles abreissen und neu aufbauen müssen. Dieser Aufwand schien mir zu gross. Doch nun war ein Gedanke geboren, der mich Tag und Nacht umgarnte: Wieso an diesem See nicht ein Stück Land kaufen und selber ein Haus bauen? Also fragte ich Hieps Bruder. Der lachte freudig und meinte, das sollte möglich sein.

Wieder Zuhause in Nha Trang wurden erste Pläne geschmiedet, Recherchen angestellt, Erkundigungen eingezogen und schon bald kam das Telefon, wir könnten Land, ganz in der Nähe des alten Hauses kaufen. Also wieder dreieinhalbstunden Fahrt, anschliessend Motocrosspiste und da lag es vor uns: Mir blieb die Spucke weg. Dumm nur, dass der Verkäufer des Landes gar nicht belegen konnte, dass das Land auch wirklich ihm gehört. Er hat keinen Grundbucheintrag. So konnten wir nicht kaufen und fuhren enttäuscht zurück.

Kurz darauf wieder ein Angebot. Also wieder dreieinhalb Stunden Fahrt, aber diesmal nur eine ganz kurze Motocrosspiste hin zum Land. Vor uns lagen 1500 Quadratmeter üppig bepflanztes Land mit Seeanstoss, bebaubar, mit Grundbucheintrag. Nach kurzer Überlegung und Rücksprachen mit Hieps Familie, die mich in dieser und anderen Angelegenheiten immer wieder berät, sagten wir zu.

Was nun begann war ein Marathon des Wartens und Redens. Die Verhandlungen mit dem Verkäufer führte Hieps Bruder. Als wir uns nach rund einem Tag endlich über den Preis einig waren, kamen die Vertrags und Übergabemodalitäten auf den Tisch. Immer wieder wurde Tee aufgetragen, die Verhandlung unterbrochen, weil einer der Verhandlungspartner den Raum verliess. Warum? Das konnte mir  so richtig niemand sagen. Ab und an wurde es laut, andere Männer kamen hinzu und mischten sich ein. Auch die Frauen, Hiep und die Mutter des Verkäufers liessen sich nicht lumpen und diskutierten und verhandelten eifrig mit. Ich dachte mehrfach: So wie die miteinander streiten wird das wohl nichts. Aber Hiep beschwichtigte mich immer wieder. Es gäbe keine Probleme. Nun ja, dachte ich. Fremde Kultur eben.

Am zweiten Tag schien alles klar. Anzahlung konnte geleistet werden. Doch als ich am dritten Tag millionenschwer von der Bank kam, winkte Hieps Bruder ab. Wir würden noch nicht bezahlen, zuerst müsse der Verkäufer eine Kopie des Grundbuchauszuges vorlegen. Also warten.

Doch bis am Abend, so wie versprochen, lag diese nicht vor. Ich wechselte das Hotel. Von der einfachen vietnamesischen Unterkunft (Khach San) machten wir einen upgrade, damit ich das Geld in einem Hoteltresor deponieren konnte.  Am nächsten Tag, Tag vier, wieder Warten. Zum Glück hatte das Hotel in Buon Ma Thuot einen Swimmingpool, so war die Warterei erträglicher als in einem dieser simplen vietnamesischen Hotels, die vielfach nicht wirklich sauber sind, nur fensterlose Zimmer haben oder morgens um 5 Uhr der Lautsprecher Frühgymnastikübungen ins Zimmer trällert.

Tag fünf. Warten. Hieps Familie lud zur Party auf der schwimmenden Fischfarm. Dann endlich. Tag sechs. Das Schriftstück liegt vor und so ging’s zum Notar. Dort war vor allem wieder Warten angesagt. Zuerst verspätete sich Hieps Bruder. Als dieser endlich kam war der Verkäufer verschwunden. Wir tranken Tee und warteten. Irgendwie fanden dann doch alle zusammen und die Notariatsangestellte referierte und gestikulierte, so dass ich mich fragte, kann das noch gut kommen?

Ich kam mir vor wie in einem Bauernschwank, bei dem die rundliche Notariatsangestellte den Männern die Leviten liest und zwar richtig. Hiep, die die schwere Aufgabe hatte, mir immer mal wieder zu übersetzen, lachte und meinte, wie auch schon bei den Verhandlungen zuvor: «Kein Problem. Da ist nichts, was uns beunruhigen sollte.»

Angesichts der Tonalität und der Gestik hatte ich aber einen anderen Eindruck. Irgendwo im Raum stand auch noch ein Mann in Uniform. Die ganze Situation machte mich irgendwie nervös. Dann stand der Verkäufer abrupt auf und telefonierte lauthals.

Hiep nutzte die Pause um mich aufzuklären. In Vietnam sei das Recht so, dass wenn ein Landbesitzer volljährige Söhne habe, diese dem Verkauf zustimmen müssten. Dies hätte die Notariatsangestellte dargelegt, jetzt telefoniere der Verkäufer mit seinem Sohn in Saigon. Bis dessen Einverständnis nicht schriftlich und notariell beglaubigt vorliege, sollen wir keine Anzahlung leisten.

Ich war erleichtert und musste einmal mehr feststellen, wie man sich in Gestik, Mimik und Tonfall irren kann, wenn man in einer fremden Kultur lebt.

Anschliessend wurde Geld und Vertrag im Notariat sicher verwahrt – so hoffte ich doch – und mit nur einer Quittung im Sack fuhren wir am Tag sieben wieder dreieinhalb Stunden nach Hause.

Mittlerweile ist alles geklärt und erledigt. Ende Januar 2017 sollte das neue Haus stehen und für unsere Freunde und Gäste planen wir einen kleinen Bungalow mit Bad, und Terrasse zum See hin.

Coverbild: Hiep begutachtet das Land. Im Hintergrund zu sehen: Die Fischfarm und die 2 Kilometer lange Staumauer.

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