Von Peter M. Jenni auf Samstag, 23. Dezember 2017
Kategorie: Blog Faszination Vietnam

So nicht! Oder das unzersägte Stück

Was die Vietnamesen alles auf ihren Motorrädern transportieren, kennt man mittlerweile von vielen Bildern aus dem Internet, passt, wie wir sagen, «auf keine Kuhhaut» und ist zum Teil «sacke gefährlich». Auch sonst wird hier, zum Beispiel beim Bauen, viel geboten, was weit über unserem GefahrenSicherheitsverständnis liegt. Die Grenzen sind verschoben. Vieles, was aus meiner Sicht in der Schweiz sicherheitstechnisch übertrieben wird (alles ist überreglementiert), wird hier ohne jegliche Sicherung und immer in Badelatschen durchgeführt.

Ich habe schnell festgestellt, manches muss akzeptiert, anderes aber deutlich abgelehnt werden. Ich muss meine Grenzen klar definieren. Dies ist nicht immer ganz einfach, auch der sprachlichen Barriere wegen. Deshalb muss ich mir – insbesondere auch beim Hausbau - immer wieder folgende Fragen stellen: Bis wohin gehe ich? Was lasse ich zu? Was kann ich verantworten? Wo sage ich, nein! So nicht!

Ein Beispiel (von vielen): Auf unserem Land mussten viele Bäume gefällt werden. Dafür habe ich eine Ketten-Motorsäge gekauft. Nicht irgendein vietnamesisches oder chinesisches Nachahmer-Produkt, nein. Ich wollte eine Stihl.

Die schnurrt und sägt, dass es eine Freude ist. Der Nachteil: Jeder Vietnamese, der die Säge sieht, will sie in die Hand nehmen, einmal schnurren lassen und am liebsten auch gleich noch ausprobieren, wie das «teure Teil» denn seinen Dienst verrichtet. Holz liegt genug herum. Da sage ich einfach, klar und mit Nachdruck: Nein! Denn das ist kein Spielzeug, das man nur einfach mal zum Spass anwirft.

Auch bei gewissen Transportproblemen sage ich: «Nein!, das transportiere ich nicht!» Ich lasse liefern. Meine Freunde verstehen das dann vielfach nicht, weil es Geld kostet, und meine Erklärungen verhallen im luftleeren Raum, entschwinden, als wären sie nie gesagt. Aber das Teil, zum Beispiel ein Tisch mit Stühlen oder eine grosse, eine wirklich grosse Kiste mit Blumen, wird angeliefert.

Die fünf Arbeiter, die kürzlich den FTC Highway Nr. 1 betoniert hatten, entdeckten in einer Kaffeepause einen Baumstrunk und fragten, ob sie den haben und mit der Stihl zersägen könnten. Sie wollten Schneidebretter machen, das Holz würde sich dafür eignen. Ich willigte ein und sofort behändigten sie die Motorsäge. Sie schnitten rund fünf Zentimeter dicke Stücke bis eines übrig blieb. Dieses war auf einer Seite leicht schräg und an der dicksten Stelle gegen zwölf Zentimeter breit.

Schon hielt einer das Holzstück in der Hand und der andere wollte eben die Motorsäge ansetzen als ich schrie: «No!»

Sie hielten erstaunt inne und schauten mich fragend an. Ich wieder holte nochmals No, nahm ihnen die Motorsäge weg und rief Hiep.

Sie erklärte ihnen, dass ich nicht will, dass sie ein derart schmales Stück Holz von Hand, ohne Halterung mit der Kettensäge zerkleinern würden. Sie schauten mich verständnislos an, aber das letzte Stück blieb unzersägt und alle Hände ganz.

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