Von Peter M. Jenni auf Dienstag, 31. Juli 2018
Kategorie: Blog Faszination Vietnam

«Hast du kein Heimweh?»

Seit ich meinen Lebensmittelpunkt von der Schweiz nach Vietnam verschoben habe, wird immer wieder dieselbe Frage an mich herangetragen: «Hast du kein Heimweh?»

Heimweh ist per Definition die Sehnsucht in der Fremde, wieder in der Heimat zu sein. Doch wo ist die Heimat? Wann wird die Fremde zur Heimat? Kann man Heimat einfach austauschen? Auf jeden Fall kann man Heimat nur schwer beschreiben, denn Heimat ist mehr ein Gefühl und bedeutet für jeden etwas anderes.

Im Duden findet sich beim Schlagwort Heimat der Hinweis: «Plural nicht üblich». Dies suggeriert, dass jeder Mensch genau eine Heimat hat. Dagegen vertritt das Integrationsbüro der Stadt Zürich die These: «Jeder Mensch hat unterschiedliche Identitäten und verschiedene Heimaten.» Ich meine, diese Frage muss jedes Individuum für sich selbst beantworten.

Ich für meinen Teil habe mich für «verschiedene Heimaten» entschieden. Dies mag auch in meiner Kindheit begründet liegen, da ich nicht nur an einem Ort «gross geworden» bin, sondern sich die Entwicklungsstufen vom Baby über das Kind, hin zum Jugendlichen und bis zum jungen Erwachsenen über verschiedene «Heimaten» verteilte. Ich zähl mal auf: Zürich-Seebach, Uitikon-Waldegg, Rüschlikon, Dübendorf, Rüti (ZH), Quarten (SG). Und jetzt ist es Vietnam.

Dies alles sind/waren meine Heimaten. Überall habe ich mich wohl gefühlt. Von überall habe ich etwas mitgenommen, in die neue Heimat getragen, so dass ich die alte Heimat nie vermissen musste. So ist es auch jetzt. Gross-Geografisch gesehen habe ich jetzt zwei Heimaten: Die Schweiz und Vietnam. Auf das Detail fokussiert: Hier in Krong Buk fühle ich mich zuhause. Ich fühle mich aber auch in Saigon oder Nha Trang zu Hause. Denn: Es ist nicht die Örtlichkeit, die Heimat ausmacht.

Es sind die Menschen, die Familie, die sozialen Kontakte, die Freundschaften, die mir an einem Ort Heimat oder sollte ich besser sagen «Halt» geben. Dass diese Beziehungen über all die Jahre, auch über Differenzen und Unwegsamkeiten hinweg Bestand haben und mir so «meine Heimaten» geben, dafür möchte ich meiner Familie und all meinen Freunden in der Schweiz oder wo auch immer danken: «Dank euch habe ich Heimaten. Ihr alle seid meine Heimat!»

Noch eine kleine, interessante Anmerkung: Eine Übersetzung des Wortes «Heimat» in andere Sprachen ist eine Herausforderung. Dazu habe ich in der Internetausgabe der «Westfalenpost» eine Aussage der Sprachwissenschaftlerin Carolin Baumann gefunden: «In der Tat gibt es in der Bildung des Wortes keine genaue Entsprechung in anderen Sprachen».

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