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Wohlfühltage oder: Wenn die Rasierklinge über den Knochen schabt

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Immer wieder kommt die Frage auf, was haben Operation und Strahlentherapie in Kiefer, Mund und Rachen sowie an der Zunge für Kollateralschäden hinterlassen? Diese Frage ist wie ein böses, schwarzes Loch, das sich vor mir auftut.

Doch eines vorneweg: Mir geht es gut! Ich kann die Tage geniessen (wie im Cover zu sehen ist!) Diese Zeilen schreibe ich nicht, um Mitleid zu erhaschen. Ich möchte nur aufzeigen, was bleiben kann, wenn dir Ärzte sagen, es handle sich lediglich um einen Standardeingriff, um den Krebs zu besiegen (siehe dazu Das Werkstück)

Das Essen - also die Nahrungsaufnahme; von Essen oder gar genussvollem Essen kann bei mir keine Rede mehr sein - funktioniert mal besser, mal schlechter. Ich «esse Bier und trinke Wein» funktioniert aber immer. Ebenso die Schmerzen in der Zunge; sie sind immer irgendwie da. Mal mehr, mal weniger.

Heute zum Beispiel hatte ich leichte Schmerzen im linken Unterkiefer, wie wenn ein Nagel, der da nicht hin gehört, im Knochen stecken würde. Dann wieder habe ich das Gefühl, die Zunge sein ein übergrosser Bazooka-Kaugummi; an Nahrungsaufnahme (ausser Bier) ist in diesen Momenten nicht zu denken.

Oder beim Rasieren. Eine Rasur fühlt sich, in dem Bereich, in dem bestrahlt wurde, nicht so an, als fahre die Klinge oder der Rasierapparat über meine Haut. Eine Rasur fühlt sich an, wie wenn die Klinge direkt über den Kieferknochen schaben würde. Oder es berührt mich jemand am Kiefer. Das spüre ich in den Zähnen. Und ja. Küssen und Zärtlichkeiten austauschen machen so nicht wirklich Spass.

All das sind keine grossen, keine wirklichen Schmerzen, ab und an ein Ibuprofen genügt. Aber sie schränken ein und über all dem schwebt wie eine dunkle, grosse Wolke die übermächtige Frage: Wann werden die Schmerzen unerträglich?

Die Ärzte unter ihnen werden nun sagen: Was will der Mann uns denn nun eigentlich mit diesen Zeilen mitteilen? Er hat doch alles! Er hat sein Paradies in Vietnam gefunden. Ohne uns, wäre er nicht da, wo er ist!

Ja, kann ich dazu nur sagen. Ja. Stimmt!

Aber wie hätte ich entschieden, wenn man mir vor der Operation und der Bestrahlung die Wahrheit gesagt hätte?

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