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Vom faktischen «Fahrausweis-Entzug» und Polizisten-Selfies

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Die folgende, leider wahre Begebenheit handelt von etwas talentfreien Schweizer Beamten. Gegen Ende kommen dann noch vietnamesische Polizisten ins Spiel. Am 6. Mai 2017 habe ich bereits einmal über diese Angelegenheit berichtet. Siehe dazu: "Wenn Mann den Ausweis verliert oder: Anständig sein lohnt sich nicht immer".

Zu Beginn steht eine kleine Unachtsamkeit während einer vietnamesischen Taxifahrt. Die Folgen davon: Die Brieftasche mit etwas Bargeld, verschiedenen Ausweisdokumenten und der Kreditkarte ist verloren. Der finanzielle Schaden gering. Also alles kein Problem, dachte ich. Dies war vor fast zwei Jahren, Ende April 2017. Aber ich hatte diese positive Schlussfolgerung ohne Einbezug des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamtes des Kantons St.Gallen gezogen.

Kreditkarte gesperrt und neue beantragt. Kein Problem. Polizeiprotokoll des Vorfalls erstellen, beglaubigt übersetzen lassen und beim Schweizer Konsulat in Ho Chi Minh City eine neue Identitätskarte beantragt und innert nützlicher Frist erhalten. Kein Problem. Also noch kurz eine Mail an das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St.Gallen mit der Bitte um einen neuen Führerschein und schwupps, die Probleme beginnen!

Da ich keinen Wohnsitz mehr in der Schweiz habe, könnten Sie mir keinen neuen Führerschein ausstellen, so die Antwort des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamtes des Kantons St.Gallen. Das bedeutet für mich: Faktisch wird mir mit dem Verlust des Schweizer Führerscheins dieser auch gleich entzogen. Aber, so hiess es weiter, sie würden mir eine «Bestätigung über bestandene Führerprüfungen» senden. Damit könne ich in Vietnam einen neuen Ausweis beantragen.

Der postalische Weg von der Schweiz nach Vietnam ist ein für mich unergründlicher und nicht nachvollziehbarer, aber ein Brief benötigt immer etwa einen Monat. So war nach gut 30 Tagen Wartezeit meine Freude gross, als ich die Bestätigung erhielt. Leider war sie nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben stand, denn die Mitarbeiter im Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St.Gallen haben die Bestätigung mit einer Gültigkeitsdauer von 30 Tagen ausgestellt. Sie war also schon abgelaufen, als ich sie das erste Mal in den Händen hielt.

In der Zwischenzeit hatte ich mich bei den Ämtern in Vietnam erkundigt, welche Dokumente ich für einen Führerschein-Antrag vorlegen müsse. Ohne temporäre Residenzkarte würde gar nichts gehen und damit ich eine solche erhalten würde, müsste ich mit einer Vietnamesin verheiratet sein. Da Hiep und ich das eh schon in Planung hatten, kein Problem. Da lernte ich die vietnamesische Bürokratie richtig kennen. Bestätigungen von Schweizer Amtsstellen müssen, bevor sie ein vietnamesisches Amt bearbeitet, beglaubigt, vom Konsulat in Ho Chi Minh City bestätigt und anschliessend noch beglaubigt auf Vietnamesisch übersetzt werden. So was dauert! Das kann ich Ihnen sagen.

Aber es hat geklappt. Die Ehe ist mit Freuden vollzogen und die temporäre Residenzkarte ist nach mehrmaligen Anläufen auch vorhanden. Also wieder ein Schreiben an das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St.Gallen mit dem Begehren um eine neuerliche «Bestätigung über bestandene Führerprüfungen». Diesmal mit der nachdrücklichen Bitte, das Dokument möge (erstens) sechs Monate gültig sein und (zweitens) von einer zweiten Amtsstelle beglaubigt.

«Wir können für Sie keine Beglaubigungen machen. Es ist ein offizielles Dokument von einer Amtsstelle, welches immer ausreichend war, dafür im Ausland einen Führerausweis umzutauschen bzw. zu erwerben» hiess es in der Begründung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamtes des Kantons St.Gallen, warum sie die zweite Bestätigung unbeglaubigt auf die lange Reise schickten. Der Hinweis «Ansonsten können Sie sich an die schweizerische Vertretung (Embassy of Switzerland) wenden» klang für mich wie ein Hohn.

Nun, das Dokument kam mit der normalen Reisedauer von einem Monat an, war sechs Monate gültig, aber das Konsulat konnte es nicht bestätigen, weil es nicht beglaubigt war. Es war somit für mich wiederum wertlos!

Damit ich das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St.Gallen von der Notwendigkeit einer Beglaubigung in der Schweiz überzeugen konnte, bat ich Anfang Dezember 2018 das Konsulat in Ho Chi Minh City um eine Stellungnahme, denn: Für Schweizer Dokumente, die bei einer vietnamesischen Behörde eingereicht werden sollen, kann das General Konsulat in Ho Chi Minh die offiziellen Stempel und Unterschriften bestimmter Behörden beglaubigen. Es sind dies die für Beglaubigungen zuständige kantonale Behörde in der Schweiz oder die Bundeskanzlei in Bern. Im Schreiben des Konsulats heisst es: «Wenn Ihre Prüfungsbestätigung bei einer dieser Schweizer Behörden beglaubigt ist, können wir die betreffenden offiziellen Stempel und Unterschriften beglaubigen.» Diese Stellungnahme liess ich Mitte Dezember 2018 dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St.Gallen zukommen mit der Bitte, um eine neue, beglaubigte, sechs Monate gültige Bestätigung.

Die etwas lapidare Antwort aus dem fernen St.Gallen erfolgte erst nach Abschluss der Festtage: «Ich habe Ihre Anfrage zwecks Zuständigkeit an meinen Nachfolger weitergeleitet». Also weiter warten.

Mittlerweile war auch die Zeit für gute Wünsche ins 2019 abgelaufen und der Nachfolger antwortete mir auf meine Nachfrage: «Zurzeit bin ich noch in Abklärungen. Ich werde mich (sobald ich mehr weiss) wieder bei Ihnen melden».

Und dann. Endlich. Oh du himmlisches Glücksgefühl! Am 22. Januar 2019 wurde mir mitgeteilt, die «Bestätigung über bestandene Führerprüfungen» des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamtes des Kantons St. Gallen sei nun bei der Staatskanzlei des Kantons St.Gallen zur Legalisation bereit. Ich habe mich sofort bedankt und als gebranntes Kind nochmals darauf hingewiesen, dass man bitte darauf achten solle, dass die Bestätigung sechs Monate gültig sei.

Keine Widerrede. Es folgte ein Mail mit Zahlungsaufforderung und Bankdaten, damit die St.Galler Behörden nur ja nicht auf das Geld aus dem weitentfernten tropischen Land warten mussten. Natürlich überwies ich sofort und wartete voller Vorfreude auf das Papier.

Am 25. Februar 2019, gut einen Monat nachdem die Bestätigung ausgestellt wurde, ist sie endlich da. Freude herrscht! Nur leider nicht lange! Ich kann die beglaubigte Bestätigung nicht gebrauchen. Sie ist bereits wieder ungültig. Als Schlusssatz steht: «Sie gilt nicht als Führerausweis und erlischt nach Ablauf von 30 Tagen».

Die Frage, ob ich denn seit Ende April 2017 auf das Lenken von Autos und Motorrädern, insbesondere auch auf Ausfahrten mit meinem «heissen Ofen», der Kawasaki Z1000, verzichte oder wie ich denn dem faktischen Ausweisentzug der kantonal St.Galler Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts-Behörde entgegenwirke, ist berechtigt.

Die Antwort lautet: Glücklicherweise hatte ich vor meiner Ausreise aus der Schweiz alle wichtigen Dokumente elektronisch erfasst. So habe ich eine Kopie meines Führerscheines in Kreditkartengrösse ausdrucken und in Plastikfolie schweissen lassen. Sieht aus wie ein Führerschein, ist aber keiner! Vorsorglich habe ich auch eine Kopie des eingangs erwähnten Polizeirapports mit dabei. Diese musste ich jedoch noch nie vorweisen. Trotzdem, ein leicht ungutes Gefühl schwingt bei jeder Polizeikontrolle mit. Und ich werde gerade auf langen Touren oft angehalten. Meistens auch nur, damit die Polizisten die Kawasaki begutachten und Selfies machen können!

Epilog
Am 27. Februar sandte ich diese Geschichte an den zuständigen Regierungsrat, seinen Generalsekretär und an den Leiter des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St.Gallen, sowie Kopien an die involvierten Mitarbeiter. Und siehe da, einen Tag später erhalte ich eine Mail mit einem PDF im Anhang. Mit Datum 27. Februar wird mir nun eine weitere Bestätigung ohne Kostenfolge ausgestellt, diesmal 180 Tage gültig. Jetzt heisst es, nochmals einen Monat warten, dann kann ich mich auf den Weg durch den vietnamesischen Amtsdschungel machen.

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