Von Peter M. Jenni auf Dienstag, 19. März 2019
Kategorie: Blog Faszination Vietnam

Abgesang an einen Bike-Schuh

Das war es also mit dir!

Heute hast du dich definitiv und endgültig aufgelöst und dich ins Jenseits verabschiedet. Du hast aber auch heute, auf unserer letzten Tour, bis zum Schluss durchgehalten. Dafür und für all die vielen gemeinsamen Stunden danke ich dir.

Angefangen hatte alles vor, ich weiss nicht mehr wie vielen Jahren, im Shop von Suso Bike in Walenstadt. Da sah ich dich. Schwarz, glänzend, elegant und sportlich zu gleich, passend auf meinen Fuss und «schweineteuer». Doch dich musste ich haben und so begann unsere Beziehung.

Wir haben einiges zusammen erlebt. Zuerst waren es die stundenlangen Ausfahrten und die kräfteraubenden Marathon-Rennen in der Schweiz. Berg rauf, Berg runter, immer wieder. Ich weiss nicht, wie viele tausend Höhenmeter und Kilometer wir zusammen durchgestanden haben. Aber du warst immer an meinem Fuss. Hast mit mir gelitten und meine Krämpfe und Kraftausdrücke hingenommen.

Weisst du noch, damals am Bike-Marathon in Küblis? Ich musste auf der Alp, nennen wir sie Kuh-Fladen-City, unverhofft in die Eisen steigen. Im letzten Moment konnte ich dank dir das Gleichgewicht halten. Aber du sahst wirklich alt aus, wie du in dieser stinkenden Kuhscheisse verharren musstest.

Wir beiden waren nie auf einem Podest. Wir waren immer im hinteren Drittel der Rangliste, dort wo niemand mehr hinschaut. Aber wir waren immer Sieger!

Dann, als mich in einer langen und steilen Abfahrt plötzlich die Angst überfiel, habe ich die Rennen an den Nagel gehängt, dich nicht! Eigentlich gab es nur ein paar Wochen, in denen du mich nicht begleitet hast. Im Spital habe ich auf dich verzichtet. Wäre ja auch nicht wirklich sexy gewesen, in meinen schwarzen, schön glänzenden und sportlich-eleganten Bikeschuhen auf dem OP-Tisch zu liegen.

Dafür nahm ich dich mit nach Vietnam. Wir sind Stunden lang durch den irrig verrückten Verkehr von Saigon gekurvt und erlebten viele wunderbare Momente auf diesen verstopften Strassen, wo eigentlich fast alles erlaubt ist. Das war spassig.

Aber du hast mich auch stoisch ruhig auf vietnamesischen Überlandstrassen ausgehalten, wenn ich fluchend und den Stinkefinger zeigend, im letzten Moment Lastwagen und Personenbussen ausgewichen bin, oder wenn uns handytelefonierende Autofahrer in den Strassengraben drängten.

Und jetzt hast du dich aufgelöst. Schon nach rund zehn Kilometern warst du nahe deinem Ende. Ich habe dich nur noch vorsichtig eingesetzt und du hast durchgehalten. Bis zum Schluss. Rund um den Krong Buk Ha.

Ich bin nicht traurig, dass dein Ende nun da ist. Ich freue mich für dich. Du hast erreicht, was uns allen bevorsteht. Das Ende, der Tod. Jetzt hast du Ruhe. Ich muss weiter trampen.

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