Von Peter M. Jenni auf Samstag, 05. Dezember 2015
Kategorie: TAM-Archiv Indochina-by-bike.ch

Land der Karaoken ....

Karaoke-Schriftzüge sind neben Tiger, Saigon, Heineken oder sonst einer Bier-, Handy- oder Banken-Reklame in Vietnam wohl eine der meistgelesenen Leuchtteklamen. Sie blinken übergross in allen Farben von unzähligen Fassaden.

Ich kann mich an kein Städtchen erinnern, in dem es nicht mindestens ein Hotel mit Karaoke-Reklame gab. Meistens waren es mehrere. Zum Teil hatte ich das Gefühl, es gibt mehr Karaoke- denn  Gemüseläden.

Ich bin in etlichen Hotels abgestiegen, die auch Karaoke anboten und immer wieder dachte ich mir, so viel Karaoke, was soll denn das? Wer nutzt all das? Und das Bum-Bum aus den übergrossen Subwoofern dröhnte jeweils durchs ganze Hotel.

Kürzlich hatten mich meine Bekannten nach einem ausschweifenden Abendessen zum Karaoke-Besuch überredet. Und sie mussten mich wirklich überreden. Am Ende aber bereue ich auch diese Erfahrung nicht. Im Gegenteil.

Des Nichtsingen-Könneners Glück war, dass es nur Songs in vietnamesischer Sprache gab. Ich also nicht eine Ausrede benötigte, um nicht singen zu müssen.

Die Darbietungen meiner Bekannten aber, die allesamt meine Gehörgänge mit viel Echo, Bass, Rückkopplungen und Lautstärke  arg strapazierten, waren grossmehrheitlich auf einem Niveau, auf dem auch ich hätte mithalten können. Aber eben, ich kannte keinen Song.

Karaoke in Vietnam geht so: Ein Haus bietet Karaoke an (im Bild auf vier Etagen). Man kommt unten rein wie in eine Mofahalle und an der Rezeption erklärt man, wie viele Personen in einem Raum singen möchten und wie viel Bier die Gruppe zu trinken gedenkt.

Sofort wird ein Raum zugewiesen und man wird dahin begleitet. Kurze Zeit später wird Bier und Eis angeliefert und in unserem Fall noch eine Schale mit Früchten.

Der Raum hat zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Studio, aber es fehlt an jeglicher Schallisolation. So lange wir noch mit der Auswahl der Songs (und das sind Tausend oder mehr Titel) beschäftigt waren, konnten wir uns am Karaoke aus den Nachbarräumen ergötzen. Das hörte sich an wie Chilbi mit unrund laufender Musik.

Doch dann ging es auch bei uns los. Das Bum-Bum aus dem Bassbooster war ohren- und herzbetäubend, als würden heute die letzten Bässe in Vietnam geschlagen.

Die Rückkoppelung mit den Gesangsangsmikrophonen tat das ihre, dass, wer noch keinen Tinitus hatte, sich jetzt auch zum exquisiten Kreis der Hörgeschägigten zählen durfte.

Kleine Anmerkung am Rande: Ich habe mal ein Uriah Heep Konzert fotografiert. Die Belastung meiner Gehörgänge direkt bei der Bühne war nicht grösser.

Wir sassen in Fauteuiles und hatten alle freien Blick auf den grossen Bildschirm auf dem mehrheitlich Bilder von Vietnams Küste, Sonnenuntergänge und Schiffsfahrten gezeigt wurden. Umrahmt wurde die Szenerie von überdimensionierten Lautsprechern.

Am unteren Bildrand lief wie beim Teleprompter der zu singende Text. Am Ende des Songs gab der Computer eine Wertung ab. Die meisten erhielten ein "Superstar" oder "Verry good". Ich bin aber froh, dass unsere wirklichen Superstars etwas besser singen.

Die Wertung war aber so oder so zweitrangig. Es ging einfach um viel Spass. Dementsprechend gross war jeweils das Gelächter, wenn der Einsatz total vermasselt, der Ton überhaupt nicht getroffen oder nur noch ein mehrfach beechotes Gekrächze zu hören war.

Eines wurde auf jedenfall bewiesen: Bier ölt die Stimmbänder wunderbar.

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