Irgendwo in einem billigen Hotel in Europa, Juni 2017. Fredi, der schöne Schwule von vis-à-vis, schaut Boller an und fragt unverhofft: «Gehst du nach Vietnam?»
«Ich weiss noch nicht. Vermutlich schon. Was soll ich sonst machen?»
«Du kannst hier bleiben.»
«Aber dann gibt es mich irgendwann nicht mehr. Der Schreiberling wird uns früher oder später vergessen, wenn wir nicht zu ihm nach Vietnam gehen. Du hast es ja selbst erlebt. Kaum war er in Vietnam wurde es ruhig um uns.»
«Ja», sagt Fredi und wird nachdenklich. «Meinst du, wir beide sterben sozusagen aus, wenn wir ihm nicht nach Südostasien nachreisen?»
«Genau. Das meine ich.» Boller holt sich eine frische Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, giesst ein.
Fredi melancholisch: «Ich möchte aber noch nicht sterben.»
Bollers Blick leer, sein Mund stumm.
Fredi wischt sich in seiner femininen Art elegant durchs Haar: «Zudem habe ich noch so viel Rosenwasser. Es wäre eine Schande, dies alles ungenutzt zurückzulassen.»
«Ach Fredi. Lass uns nach Südostasien fahren. Nimm das Rosenwasser mit. Ich will doch auch noch nicht abdanken. Es gibt noch so viel zu verstehen.»
Fredi jetzt hämisch lachend: «Ja Boller. Du verstehen, ich vernaschen. Ausserdem», ergänzt er, «dem Schreiberling wird es ohne uns früher oder später öde und langweilig. Was soll er denn in der neuen Heimat machen, wenn er uns nicht mehr schreiben kann?»
Zwei Tage danach fliegen Boller und Fredi über Bangkok, das war der günstigste Flug, den der Schreiberling im Internet für sie finden konnte, nach Saigon. Fredi soll sich - Berichte Mitreisender zufolge - masslos darüber geägerte haben, dass auf dem Etihad-Flug nur Stewardessen an Bord waren. Ein paar Tage später reisten sie mit dem Nachtzug weiter nach Nha Trang, einer ungewissen Zukunft entgegen.