Von Peter M. Jenni auf Dienstag, 30. September 2014
Kategorie: TAM Archiv vor 2015

Kälbchen verstopfen keine Trams

Natürlich war das eine traurige Angelegenheit, wenn so junge Tiere alleine auf ein paar Quadratmetern gefangen leben mussten. Aber es war gesetzeskonform, und Boller gab zu bedenken, dass es ja auch möglich wäre, dass die Kälbchen aus gesundheitlichen Gründen getrennt gehalten würden.

«Ich habe mal gehört, dass, wenn in einem Bestand junger Tiere welche krank sind und man die Ansteckungsgefahr vermindern will, es besser ist, wenn der Bauer die Tiere trennt, als sie mit Antibiotika zu behandeln“, erklärte er und legte eine Pause ein. Dann fragte er: „Wer hat denn dir diese Geschichte erzählt?“ und schaute fragend zu Fredi, weil er genau wusste: Fredi, der schöne Schwule von vis-a-vis, würde mit seinen hochglänzenden Lackschuhen und seinem Duft nach viel zu süssem Rosenwasser nie auch nur in die Nähe eines Stalles kommen.
„Das habe ich im Lipps aufgeschnappt. Neben mir sassen ein paar Austern schlürfende ältere Damen. Die haben sich zuerst fürchterlich über die vielen Ausländer, Flüchtlinge und das ganze Asylantenpack in der Stadt aufgeregt und dann hat eine diese traurige Geschichte von den Kälbchen erzählt. Und alle waren sie geschockt und sich einig, da muss man was tun.
Boller wurde nachdenklich, holte ein, zwei Mal aus um etwas zu erwidern, liess es dann aber,  als müsste er noch etwas nachdenken, dann sagte er: „Ist doch klar, dass die sich für die Kälbchen einsetzen und die Flüchtlingsfamilien mit ihren Kindern nicht reinlassen wollen. Um ihr Gewissen zu beruhigen, müssen sie nur das teurere Label-Fleisch kaufen und die Damen wissen genau, Kälbchen verstopfen keine Trams!"


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