Von Peter M. Jenni auf Freitag, 02. Dezember 2011
Kategorie: TAM News

Weltreisender in Sachen Biken - Erholung am Berg

Mountainbikeprofi René Wildhaber schloss die Saison 2011 erfolgreich in Übersee ab. Doch den Weltreisenden in Sachen Biken führte sein Traumberuf auch an die eigenen Grenzen. Ein Rückblick.

Von Peter Jenni

Seit 2009 hat René Wildhaber (Flumserberg) seine Passion, das Mountainbiken, zum Beruf gemacht. Seither tingelt er für seine Sponsoren mit dem Bike rund um die Welt, macht Film- und Fotoaufnahmen, sitzt für die Sponsoren im Sattel, gibt Journalisten Auskünfte und Tipps und muss neben all dem auch noch erfolgreich Rennen bestreiten. Alles unter einen Hut zu bringen, ist nicht ganz einfach. Dies musste René Wildhaber in dieser Saison erfahren. Doch alles der Reihe nach.

Die Saison 2011 ging für den Flumserberger Mountainbikeprofi, der von der internationalen  Fachpresse auch gerne «der sympathische Schweizer» genannt wird, früh los. Bereits im Februar startete er auf den kapverdischen Inseln im atlantischen Ozean. Bei diesem Rennen, nur 15 der weltbesten Fahrer werden eingeladen und unterstützen mit ihrem Startgeld und der Versteigerung von persönlichen Gegenständen ein humanitäres Projekt, erreichte Wildhaber hinter Downhill-Mehrfachweltmeister Nicolas Vouilloz, aber noch vor Rennorganisator und ebenfalls Ex-Weltmeister Fabien Barel den hervorragenden 2. Platz. Danach ging es fast nahtlos weiter nach Hawaii. Zusammen mit seinen Teamkollegen des Trek-C3-Projekts standen Videoaufnahmen entlang des Ozeans an. Gleich anschliessend ging es für eine Produktionspräsentation von Rock Shox nach Finale di Ligure (Italien). Ende April folgten dann im italienischen Riva del Garda Präsenzzeiten für Sponsoren am Sympatex Bikefestival mit Enduro-Rennen am Freitag, Marathon am Samstag und Fotoshooting am Montag. Auch die Bikedays in Solothurn konnten nicht ohne den Crack aus dem Sarganserland auskommen. Dazwischen, wenn er ein paar Tage im Sarganserland weilte, arbeitete er in der Skischule am Flumserberg oder Zuhause auf dem elterlichen Hof und im April startete er noch bei zwei regionalen Crosscountrys, darunter natürlich auch beim «Susobike-Heimrennen» in Walenstadt.


Trailsurfen à la René Wildhaber am Gardasee auf dem Anaconda-Trail. (Bild Markus Gerber)

Wettkampfhärte
«Mit diesen beiden Rennen konnte ich mir Wettkampfhärte holen und mich an den Renndruck gewöhnen,» erklärt Wildhaber auf die Frage, warum ein derart weitgereister Profi bei Provinzrennen an den Start geht. Er konnte aber nicht verhehlen, dass ihm der Start in der Heimat zusagt und er gerne unter Freunden weilt. In den letzten beiden Maiwochen zog es Wildhaber dann für Filmaufnahmen nach Bolivien. Für das Filmprojekt Rock Shox Experience mussten Locations gesucht und abgefahren werden. «Bei Filmaufnahmen haben wir jeweils fast keine Zeit für Wiederholungen, da muss alles bei der ersten oder spätestens der zweiten Fahrt perfekt und im Kasten sein.» Dies und die intensive Reiserei – jeden Tag war die Crew an einem anderen Drehort - waren ganz schön fordernd und nagten an der Substanz.


Auf dem Rock Shox Experience-Trip wurden drei Videos gedreht, aber auch der Kontakt zur Bevölkerung ist für René Wildhaber immer wichtig. (Bild Marco Toniolo)

Luft draussen
Wildhaber ist sich bewusst, dass Fahrten für Filmaufnahmen keine optimalen Voraussetzungen sind, um Rennen zu gewinnen, zumal er an ein einigermassen konstantes Training in Bolivien nicht denken konnte. Aber mit dem Trailfox in Flims und dem Megavalanche auf der Alp d’Huez standen nun zwei wichtige Rennen vor der Türe. Der Sieg in Flims und der dritte Rang in Frankreich konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Wildi, wie er von seiner Fangemeinde liebevoll genannt wird, müde und abgekämpft fühlte. Trotzdem galt es noch einen Pressetermin in Österreich wahrzunehmen, aber dann «war die Luft draussen.»

Er konnte sein Bike nicht mehr ansehen, musste auf den Berg, einen Viertausender besteigen und einfach mal abschalten. Keine Technik, keine Presseleute, kein Renndruck, einfach nur Natur und Berge. Manchmal hätte er sogar daran gedacht, wieder auf dem Bau zu arbeiten, sagt er rückblickend. Doch zum Glück hat er nach dieser Bergtour die Kraft und die Motivation wieder gefunden, um den zweiten Teil der Saison in Angriff zu nehmen. Beim Bike-Attack, dem ultimativen Freeride-Marathon, vom Rothorn hinunter nach Churwalden, war er schon wieder ganz der Alte und liess die gesamte Konkurrenz hinter sich.

Danach ging es in Sachen Weltreisen wieder weiter: Präsentation und Fotos für Trek in Kanada, zusammen mit kanadischen und amerikanischen Fahrern. Für Wildhaber ein besonders schönes Erlebnis, da ihm die Lockerheit der Amerikaner und Kanadier zusagt, das Ganze trotzdem professionell ablief und sich in Übersee der Mountainbike-Sport auf einem sehr hohen Niveau bewegt. Noch heute schwärmt er von der schier unendlichen Natur und dem Zweitagestrip ausserhalb von Wisthler, «bei dem wir abseits der Zivilisation zwei Tage nur Singleltrails gefahren sind».


Nur fliegen ist schöner, Teil 2: Bolivien, in der Nähe von La Paz. (Bild Marco Toniolo)

Verfrühtes Weihnachtsgeschenk
Im September konnte er ein paar Tage zu Hause arbeiten, «es musste das Holz für den Winter bereitgestellt werden», bevor es dann Mitte Oktober nach Nepal ging. Im Binnenstatt in Südasien beeindruckten ihn die riesigen Gegensätze zwischen Armut und Reichtum, aber auch die geografischen Unterschiede vom feuchtheissen Tiefland (Malariagebiet) bis hin zu den Gletschern, auf über 5000 Meter über Meer. Für die kanadische Filmcrew Anthill fuhr er an den unterschiedlichsten Locations. Wildhaber erzählt von spektakulären Bildern und ebensolchen Begegnungen mit den Nepalesen. Erstmals zu sehen sein wird der Film anlässlich der Sea Otter Classic in Monterey. Natürlich wird auch René Wildhaber, als einer der Protagonisten, dieser Premiere in Kalifornien beiwohnen.

Zum Saisonabschluss, nach einer gut überstandenen Magenverstimmung, ging es dann noch in den indischen Ozean, auf die Insel La Réunion (siehe Kasten). Seinen dritten Rang kommentierte Wildi vor seinen über 1800 Facebookfans: «Der Podestplatz war für mich wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk». Denn damit hatte er nach dieser harten Saison wirklich nicht gerechnet. 


Erfolgreiche Sarganserländer im Indischen Ozean


Die Schweizer auf Le Réunion mal unter sich (von links): Carina Cappellari Walenstadt), Ernst Schurter (Vater von Nino Schurter), Gusti Wildhaber (Walenstadt), Christof Heimgartner und Rene Wildhaber (Flumserberg).

Beim letzten grossen Langdistanz-Abfahrtsrennen der Saison, dem Megavalanche de St-Paul auf der Insel La Réunion im Indischen Ozean, präsentierten sich die Sarganserländer Downhiller als wahre Macht. Bei den Damen zeigte Carina Cappellari (Walenstadt), dass sie zum Saisonende über eine hervorragende Form verfügt. Die einzige Schweizerin am Start belegte hinter der zwölffachen Weltmeisterin Anne Caroline Chausson (Frankreich) Platz zwei. 

Bei den Männern wurde Serienpodestfahrer René Wildhaber nur von den beiden Absalon-Brüdern (Remy 1. und Julien 2.) geschlagen. Auf der 18,6 Kilometer langen Strecke verlor er lediglich 14 Sekunden auf die beiden zeitgleichen Franzosen, die nach 35:27 Minuten ins Ziel kamen. Gut eine Minute später überquerte La-Réunion-Neuling Gusti Wildhaber (ebenfalls Walenstadt) als fünfter die Ziellinie.
Auf La Réunion treffen sich zum Saisonende jeweils rund 400 Bikerinnen und Biker zum letzten Megavalanche der Saison. Und Megavalanche (grosse Lawine) heisst immer auch, Mann gegen Mann, Frau gegen Frau. Material und Körper werden voll beansprucht. Hinzu kommt der knallharte Massenstart. Dabei setzen jeweils einige ihre spitzen Ellbogen ziemlich unsanft ein. -pj-

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