Von Peter M. Jenni auf Donnerstag, 27. September 2012
Kategorie: TAM News

Damit die «Kirche im Dorf bleibt»

«Halt machen – Halt finden» heisst das Motto der Sihlcity Kirche im Zürcher Einkaufspalast auf dem ehemaligen Areal der Sihl Papierfabrik. Mit «neunundneunzig Rastworten» von Pfarrer Jakob Vetsch liegt die geistige Wegzehrung diesen Herbst in einem Buch vor.

Von Peter Jenni

Am 15. Oktober erscheint mit «Neunundneunzig Rastworte aus Sihlcity» ein weiteres Buch von Jakob Vetsch. Der in Buchs aufgewachsene Pfarrer, der seit gut fünf Jahren die ökumenische, interreligiöse Kirche im Einkaufszentrum Sihlcity in Zürich mitleitet, sagt von sich selber: «Ich entwickle gerne und ich baue gerne auf.»

Jakob Vetsch, seit gut fünf Jahren sind sie in der Kirche in Sihlcity tätig. Warum jetzt ein Buch mit neunundneunzig Rastworten?

JV: In den letzten fünfeinhalb Jahren verfasste ich die meisten wöchentlichen Rastworte für die Besucher der Kirche im Einkaufs- und Freizeitzentrum Sihlcity in Zürich. Da gab es viele schöne Rückmeldungen. Wir haben beobachten dürfen, dass einzelne Menschen alle Ausgaben sammeln. Auch haben wir gesehen, dass die Rastworte den Briefen an Freunde beigelegt oder Kranken ans Bett gebracht und vorgelesen werden. So kam bald einmal die Idee auf, man könnte die Texte in einem Buch vereinen.

Das Buch erscheint am 15. Oktober im Münchner Verlag von Dr. Axel Monte. In welcher Auflage?

JV: Das war bei früheren Buchproduktionen immer die grosse Frage: Man musste die erste Auflage im Voraus festlegen, nachher konnten vielleicht weitere folgen. Mit den heutigen technischen Voraussetzungen ist es möglich, die Bücher auf Nachfrage zu produzieren. Zuerst werden also bloss einige hundert Exemplare hergestellt, um die Buchverteilzentren, die Buchhandlungen und die Bibliotheken zu beliefern. Je nach Feedback werden dann weitere Exemplare produziert.

Sind die Rastworte ein Spiegelbild der Kirche Sihlcity?

JV: Das ökumenische und interreligiös offene Seelsorgeangebot der Sihlcity-Kirche, in der mich übrigens auch immer wieder einmal Werdenberger besuchen, spürt man bestimmt beim Lesen der Worte. Diese Weite widerspricht nach meinem Empfinden dem Christusglauben nicht, im Gegenteil, sie entspricht ihm.

Sie sind der Mitbegründer der Internet-Seelsorge und heute Pfarrer in Sihlcity. Beides - auf den ersten Blick - ungewöhnliche Orte, um Gottes Wort zu verkünden. Was waren die Beweggründe, nach Sihlcity zu gehen?

JV: Die Kirche war ja immer «im Dorf» wo die Menschen früher gewohnt, gearbeitet und sich z.B. an der «Chilbi» (das kommt von "Kirchweih") vergnügt und in den Vereinen die Freizeit verbracht haben. In den letzten Jahrzehnten haben sich jedoch die Marktplätze und Arbeitsorte oft verschoben, und daher ist es logisch, dass die Kirche mitgeht, damit sie eben gewissermassen «im Dorf» bleibt, also dort wo die Menschen sich aufhalten.
Mit dem Internet war das auch so: Viele waren schon auf den Datenautobahnen unterwegs; es haben sich also die Kommunikationswege verändert, und so durfte die Kirche eine Raststätte an der Datenautobahn einrichten, um den Menschen Halt zu bieten.
Das ist die sogenannte «Geh-hin-kirche», die dienende Kirche, und dafür arbeite ich gerne. Es ist interessant, an einem Ort zu arbeiten, wo man eigentlich keine Kirche erwartet. Aber es ist natürlich auch eine Herausforderung, das ist schon klar.

Sihlcity gibt es seit gut fünf Jahren. Sie waren von Anfang an mit dabei. Haben Sie einen Hang, Neues aufzubauen? Warum?

JV: Der Glaube wurde schon immer mit neusten Mitteln sowie auf den Wegen und an den Märkten weitergereicht. Das fasziniert. Kommt dazu, dass ich tatsächlich gerne aufbaue und entwickle. Das hat also zum einen mit der Überzeugung zu tun, dass die Kirche mit dem Evangelium stets aktuell eine gute, sinnstiftende Nachricht weiterreichen kann, zum anderen liegt das natürlich auch am einzelnen Menschen und an der positiven Einstellung zum Leben.



Jakob Vetsch: «Die Rastworte sind Wegmarken, freiwillige geistige Wegzehrung, Begleiter durch Freud und Leid im menschlichen Alltag.» (Bild Peter Jenni)


Vor Sihlcity waren Sie elf  Jahre in der Pfarrei Zürich-Matthäus. Was hält den Pfarrer und Menschen Jakob Vetsch  in, was zieht ihn nach Zürich?

JV: Die Frage ist gut gestellt, denn das hat schon mit der Arbeit und ebenso mit dem Menschen zu tun, der solche Entscheide trifft. Bei mir war das so: Das Städtische hatte ich bereits in meiner Jugendzeit in St.Gallen erlebt, nachdem ich in Buchs SG aufgewachsen war. Zürich ist auch eine sehr schöne Stadt, in der ich mich wohl fühle. So habe ich zum Beispiel vor fünf Jahren zu meinem Grabser Bürgerrecht hinzu noch dasjenige der Stadt Zürich angenommen. Das ist ja heutzutage eher eine emotionale Angelegenheit, aber es sagt doch einiges aus. Heimat kann sich erweitern und vervielfältigen, wenn man sie positiv und stärkend erleben durfte.

Welchen Bezug haben Sie heute zu Ihrer Werdenberger Heimat und der Kirchgemeinde Wartau-Gretschins?

JV: Beide haben mich sehr geprägt, was auch wesentlich zur Sicherheit beigetragen hat, die für das Erschliessen neuer Räume in der Schweiz und darüber hinaus nötig war. Da schwingt also ganz viel Kraft und Dankbarkeit mit.
Nach wie vor pflege ich einzelne Kontakte sehr gerne, auch gelegentliche. Es ist immer etwas Besonderes, aus der Region Werdenberg/Wartau zu vernehmen, und es bereitet mir auch Freude, jemanden aus der «alten» Heimat in Zürich anzutreffen.  Kurz: Heimat bleibt Heimat. Das ist wie ein gemeinsamer «Kitt».


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Jakob Vetsch
Neunundneunzig Rastworte aus Sihlcity
ISBN: 978-3-9815153-2-9
© 2012 Books Ex Oriente
Dr. Axel Monte, München

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