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Heute werden keine Bücher mehr verbrannt, aber ....

Heute werden keine Bücher mehr verbrannt, aber ....

Heute mal ein ganz anderes Thema. Nicht von Vietnam, von Reisen und fremden Kulturen oder einem neuen Leben. Ein Thema rückblickend auf eine traurige, eine hässliche Zeit. Eine Zeit voller Angst, Denunziantentum und Staatswillkür mit der aufgezwungenen Überzeugung, dass es nur eine Wahrheit gibt, auch wenn diese falsch ist. Und wohl gerade deshalb drängt dieses Thema so stark in die Gegenwart. Die Rede ist von Hans Fallada (eigentlich Rudolf Ditzen; 1893 bis 1947) und seinem Buch «Jeder stirbt für sich allein».

In den langen Stunden im Spital habe ich Hörbücher kennen- und schätzen gelernt. Seither sind sie mein täglicher Begleiter. Derzeit Hans Falladas «Jeder stirbt für sich allein».

Auf Hans Fallada bin ich seiner Sprache wegen gestossen. Sein objektiv-nüchterner Stil, die anschaulichen Milieustudien und die überzeugenden Charakterzeichnungen aus einem Berlin am Ende der Weimarer Republik faszinieren und erschüttern zugleich.

Interessant, wenn wir den Bogen zu heute spannen, wird Fallada deshalb, weil ein Grossteil seiner Werke der «Neuen Sachlichkeit» zugeschrieben werden.

Auf Wikipedia heisst es dazu: «Die Beobachtung und Abbildung der äusseren Wirklichkeit, wie die Konstruktion des Lebens auf der Basis von Fakten, bestimmt die ‘neusachliche’ Literatur der 1920er- und 1930er-Jahre». Und weiter heisst es: «Breite Teile der Bevölkerung sollten durch diese neue Literatur am kulturellen Leben teilhaben. Man beschrieb die Realität so exakt und ohne Übertreibungen, um die Menschen durch diese Missstände wachzurütteln und so die Gesellschaft zu verändern. Die Bevölkerung sollte durch die «Massenkultur» für die Demokratie begeistert werden.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 begann eine neue Blütezeit pathetisch-ideologischer Literatur. Der demokratiefreundliche Gehalt der Schriften der Autoren der «Neuen Sachlichkeit» führte zur Verbrennung ihrer Bücher, teils auch zur Verhaftung der Autoren, denen es nicht gelungen war, rechtzeitig ins Exil zu flüchten.»

Heute werden keine Bücher mehr verbrannt, aber missliebige Journalisten, den Fakten verbundene Frauen und Männer, von Pressekonferenzen ausgeschlossen, verunglimpft und ins Abseits geschoben. Doch zurück in die Vergangenheit.

In «Jeder stirbt für sich allein» wird der authentische Fall des Ehepaars Otto und Elise Hampel, das 1940 bis 1942 in Berlin Postkarten-Flugblätter gegen Hitler ausgelegt hatte und denunziert worden war, beschrieben. Es sind Schreinermeister Otto Quangel und seine Frau Anna, die, nachdem sie in einem Brief lesen mussten, dass ihr einziger Sohn im Westfeldzug gefallen war, entscheiden, Widerstand zu leisten. Einsamen Widerstand mit Postkarten, gefüllt mit antifaschistischen Botschaften, die sie in Treppenhäusern auslegen.

Das Thema des Buches: das Verhältnis von Macht und Moral in der Diktatur. Das bestimmende Element: die Angst (die diese Postkarten bei allen Beteiligten auslösen). Langjährige Freundschaften drohen zu zerbrechen, weil angesichts der Botschaften plötzlich dem Gegenüber misstraut wird. Die Angst ist derart massiv, dass die Postkarten grossmehrheitlich ihre Wirkung verfehlen. Anstatt die Menschen gegen Hitler aufzuwiegen, stürzen die kurzen Botschaften die Menschen in Angst und Schrecken.

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