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Tittytainment ist nicht nur etwas für einen Kidult

Tittytainment ist nicht nur etwas für einen Kidult

Veränderte Lebenswelten verlangen neue Wörter. Nie wurde das deutlicher als im heutigen schnellen Zeitalter des Intertainment, wo Kommunikationskanäle wieTwitter, Facebook, SMS und Co. regelrecht nach einer Ökonomisierung der Sprache schreien.

Von Peter Jenni

Pimpen wir also unseren Wortschatz etwas auf, damit er wieder fresh daherkommt und wir, da eh nur Tittytainment über die Screen rauscht, entweder youtuben oder zumindest bei der nächsten Voting-Show rudelgucken. Zuerst aber wird noch das Video runtergevotet, damit unser Favorit den Re-Recall schafft und ins Finale kommt.Wer nun nicht alles verstanden hat, ist deswegen auch als Silversurfer oder Neorentner noch lange nicht abgeschrieben, auch dann nicht, wenn er im fortgeschrittenen Alter mal couchen geht und nicht zu den Netizens gehört.

Trotzdem: Die Szenensprache ist nicht nur ausschliesslich Internetsprache, Jugendsprache oder Teenieslang. Jugendszenen sind zwar sprachlich am kreativsten, weil die Szenensprache ihnen als Abgrenzungsmerkmal dient, aus ihnen heraus die meisten neuenWörter entstehen; aber die gesellschaftliche Ausdifferenzierung und Pluralisierung der Lebenswelten sorgen insgesamt dafür, dass sich in vielen anderen Kontexten und Szenen ein neues Vokabular entwickelt. Dieses betrifft dann die Liebe und Partnerschaft ebenso wie den Gesundheitssektor, das Berufsleben, den Kreis der Gaming-Community oder das Feld der Popkultur.

Noob oder Knowbie?
Das Wörterbuch «Duden – das neue Wörterbuch der Szenensprache», das für diesen Artikel die Grundlage bildet, wurde denn auch unterteilt in Social Life, Techlife, Nightlife, Stylelife, Serious Life und Medialife. Im Social Life (verliebt, vernetzt, verfreundet) wird geaddet, gefriendet oder gezweinigt. Wahnsinnig webzweinullig ist Techlife: Noob oder Knowbie? Im Nightlife beimAus- und abgehen stellt sich die Frage: Krasscore oder lowmachen? Gesundheit, Schönheit und Selbstdesign finden sich im Stylelife, und wer ist nun Hässlo oder It-Girl oder ist er gar Overchicked? Twentyfourseven und Bore-out haben Eingang ins Serious Life (Bildung und Beruf) gefunden, und im Thema Medialife stellt sich doch immer wieder die gleiche Frage: Dokfilm oder Tittytainment?

Die einzelnen Übersetzungen hier im Detail aufzuführen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Aber es ist wie überall in der Sprache. Das Kunstwort sagt nicht immer das aus, was der unbedarfte Leser sich darunter vorstellt. Dargelegt sei dies an Tittytainment.Wer hierAdult-Content im Fernsehen (Inhalt nur für Erwachsene) vermutet, liegt falsch. Das Kunstwort zielt nicht notwendigerweise auf das massenweise Zurschaustellen weiblicher Geschlechtsmerkmale, sondern umschreibt vielmehr die einlullende Wirkung, die Stillen an der Mutterbrust auf ein Baby hat. Tittytainment kann daher so ziemlich alles sein: von Kochshows über Karnevalsumzüge bis zu Dressurreiten oder der Fussball-WM.Hauptsache, der Zuschauer wird nicht zum Nachdenken animiert.

Verkürzung und Effizienz sind in der Szenensprache neben dem ungebrochenenTrend zum Englischen eine weitere wichtige Entwicklung. Hierfür steht die Kultur der SMS-Sprache bis hin zumTwittern.

Viel Information mit möglichst wenig Zeichen
Möglichst viele Informationen mit einem Minimum an Zeichen ist das Ziel: Prog (Programm) Proggen (Programmieren) und Reggen (Registrieren) sind ein paar Beispiele dieser Ökonomisierung. Kofferwörter (zwei verschmelzen zu einem und erhalten damit eine neue Bedeutung sind: Smexy (smart und sexy; nicht nur sexy sondern eben auch noch smart), Schnüchtern (schüchtern und nüchtern; Menschen, die den Alkohol benötigen, um in Gesellschaft in Fahrt zu kommen), Kidult (Kind und engl. Adult = Erwachsen; Männer und Frauen, die mit 35 noch Hello-Kitty-T-Shirts tragen, die «Bravo» lesen und ausgiebig mit der Carrera-Rennbahn spielen), Screenager (engl. Screen = Bildschirm und Teenager; Kinder, die grundsätzlich alles langweilig finden, was nicht vor einem Bildschirm stattfindet) oderWebciety (Web und engl. Society = Gesellschaft) gibt der über das Internet vernetzten Gesellschaft einen Namen.

Den Weg in das neue Wörterbuch der Szenensprache hat der Begriff Sükü noch nicht gefunden. Er wird vor allem in SMS als Grussform genutzt und steht für «Ich sende dir süsse Küsse».

Spielfeld für Sprachfreunde
Es tut sich also viel in der Sprache, und immer wieder entstehen neue Wortschöpfungen. Um diesen Trend aufzufangen, wurde mit Szenensprachenwiki.de eine interaktive Plattform eingerichtet, auf der die Sprachverwenderinnen und Sprachverwender selbst Wörter posten und neue Wörter vorschlagen können. Ein wahres Spielfeld für Sprachinteressierte.

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