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Genderst du schon oder pinkelst du noch im Stehen?

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Die Überarbeitung einer technischen Studienarbeit verlangte, dass ich mich vermehrt mit der gendergerechten Sprache auseinandersetzen musste. Dabei habe ich mich als schreibender Grufti am Genderator orientiert. Ich bin absolut kein Gegner des Wandels unserer Sprache hin zu gendergerecht, werde aber das Gefühl nicht los, dass manche dem Thema zu viel Wichtigkeit beilegen und über das Ziel hinausschiessen.

Unter Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern finden sich immer auch welche, die vor dem generischen Maskulinum warnen. So habe ich auf n-tv die Aussage der Grammatik-Expertin Professorin Gisela Zifonun, die am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim gearbeitet hat, gefunden. Demgemäss warnte sie bereits 2018 vor einer Abschaffung des sogenannten generischen Maskulinums. Generisch bedeute, dass Personenbezeichnungen mit grammatisch männlichem Geschlecht wie "der Mieter" nichts über das biologische Geschlecht aussage. Und weiter: „Sprachsystematisch führt ein Total-Verzicht auf maskuline Personenbezeichnungen in geschlechtsneutraler Deutung zu empfindlichen Lücken", schrieb Zifonun im "IDS Sprachreport" und gab ein Beispiel: Wenn ich eine Autorin "eine der wichtigsten Schriftstellerinnen" nenne, ist das ein viel kleineres Lob als zu sagen: Sie ist "einer der wichtigsten Schriftsteller". Denn im zweiten Fall wird die Autorin mit allen Schreibenden verglichen.

Nach diesem sehr kurzen Ausflug in sprachsystematische Betrachtungen in der Folge ein paar Beispiele, die Aufzeigen, dass teilweise, wie ich meine gewaltig über das Ziel hinausgeschossen wird. So wird auf der Diskussionsseite des Genderators die Frage gestellt, wie „der Bücherwurm“ gegendert wird ,oder ob es eine „Alternative für 'Muttersprache' gebe? Warum nicht 'Vatersprache'? Was, wenn jemand keine 'Mutter' hat - also ein Kind mit zwei Papas zum Beispiel.“

Der „Genderator“ rät bei der gendergerechten Nutzung von „Nutzer“, dass es besser sein soll, wen ich statt „Ich bin Windows-Nutzer“ schreibe „Ich benutze einen Windows-PC“. Da frage ich mich: Wieso soll ich kein Nutzer mehr sein?

Im St.Galler Tagblatt schmunzelt die Journalistin Julia Nehmiz , dass Karin Winter-Dubs, Fraktionspräsidentin der St.Galler SVP, im Interview im soeben erschienen, frisch gedruckten, neuen Stadtmagazin «Saint Gall» das Gendersternchen mitspricht. Nehmiz schreibt: „Als würde sie 'Steuerzahler*innen»' aussprechen mit Glottisschlag, also mit dieser kleinen Pause wie in Spiegelei".

Was ich in meinen Nachforschungen feststellen musste ist, dass die Fronten zwischen Befürworter und Gegner arg verhärtet sind. Das ist schade. Denn Sprache ist Leben, Sprache ist Veränderung, Sprache ist aber auch Ausdruck der Persönlichkeit und Sprache beinhaltet für mich auch ein Stück Freiheit. Denn es heisst ja nicht, dass wer nicht gendert Lesbische, Schwule, Bisexuelle, Queere, Nicht-binäre und Transgender nicht auch mitmeint.

Ich habe mich entschieden, in meinen Posts und Schriftstücken, wenn möglich, gut lesbar, sinnvoll und ebenso aussagekräftig eine Ersatzform zu wählen oder dann die Paarform, wenn sie keine Lücken hinterlässt. Zudem hoffe ich, dass in Zukunft dieses Thema entspannt (siehe Cover und Titel) angegangen wird.

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