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Definitiv Neuland

Der *Chaco war für mich ein Muss. Als Ziel hatte ich mir die Kolonie Neuland vorgenommen und nach zwei Tagen Autofahrt auch unfallfrei erreicht. Für mich begann der Chaco direkt ausserhalb von Conception.

Genau an der Stelle wo der Strassenbelag in Sand überging, war eine Polizeikontrolle, die wie üblich von zwei roten Pylonen in der Strassenmitte von weit her erkennbar war. Eine dem Zerfall nahe Holzhütte spendete etwas Schatten. Auf einem wackeligen Plastikstuhl kämpfte ein Polizist gegen die Hitze, den Staub und die Müdigkeit. Als ich vorbeifuhr tippte er mit zwei Fingern an seine Hutkrempe, nickte gelangweilt und döste weiter.

Vor mir lagen 450 Kilometer pfeilgerade, nie enden wollende Strassen, Bäume, Wiesen, Felder und Kühe in unterschiedlichster Reihenfolge, aber immer irgendwie gleich. Wie wenn eine Filmsequenz hunderte Male wiederholt wird. Kein Haus, keine Tankstelle, vielleicht mal eine Einfahrt in eine Ranch. Dass die ersten 150 Kilometer Naturstrasse waren, machte die Fahrt etwas abwechslungsreicher.

Dann endlich eine Tankstelle mit einem grossen Shop. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass die Tankstellen im Chaco auch Supermarkt, Baumarkt und Apotheke sind.

Die restlichen 250 Kilometer führten über die Ruta Trans-Chaco, eine schlaglochfreie Asphalt-Piste mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 oder 100 km/h. Doch wer sich in Paraguay (und speziell im Chaco) daran hält, wird von allerlei Gefährt überholt. Also drücke auch ich auf die Tube und ab geht die Post vorbei an Ortschildern wie Grüntal, Blumental, Schöntal, Schönhorst oder Landskrone immer pfeilgerade Richtung Kolonie Neuland.

Und jetzt also bin, oder treffender ausgedrückt, hänge ich in der Kolonie Neuland. Der Nationalpark ist sechs Autostunden entfernt und ein Guide nirgends zu finden und allein auf Wildtiersafari bringt nichts. Das Museum Neuland ist ebenso geschlossen wie das 50 Kilometer entfernte Museo Fortin Isla Po'i. Also schaue ich mir Bilder dazu im Internet an. Auf der Suche nach einem Café, wo ich genüsslich im Schatten einen Espresso trinken kann, finde ich den ausrangierten Golfplatz. Den Kaffee trinke ich später im Hotel, weil ich kein Café finden konnte.

Die gesamte Kolonie wirkt in gleichem Masse surreal wie grotesk. Alles ist grosszügig angelegt und leer. Ein grosser Supermarkt mit vielen deutschen Produkten. Viele Firmen zieren deutsche Namen. Menschen sehe ich nur sehr wenige auf den Strassen. Gegensätze wechseln sich ab. In der Hitze des Tages setzt sich der Staub auf die Depression des Vergänglichen und über all dem schwebt eine Cowboy-Romantik gepaart mit der Geschichte von Flüchtlingen.

Einzig der riesengrosse Parkplatz vor der Kirche ist voller Pickups, und unter Schatten spenden Bäumen rund um die Kirche sitzen Familien und sprechen in andächtigem Ton miteinander.

In der Galerie (unten) habe ich ein paar Impressionen zusammengefasst. Und da ist auch der Grund zu finden, warum der Golfplatz seinem Ende zugeht. Denn der steht auf dem roten Schild.


* Gran Chaco ist ein Mischname aus Spanisch und der Indigenen-Sprache Quechua und bedeutet in etwa „große baumlose Ebene". Es bezeichnet eine Region in Südamerika, die sich von Bolivien über Paraguay und kleine Randgebiete Brasiliens bis in den Norden Argentiniens erstreckt. Insgesamt ist der Gran Chaco dreimal so groß wie Deutschland. Zwar ist er von Dornbusch- und Trockensavannen geprägt, doch anders als der Name sagt, ist die Ebene nicht wirklich baumlos – nur sehr dünn besiedelt, denn dort liegt der Hitzepol Südamerikas. https://greenpeace.at/hintergrund/fakten-gran-chaco/


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